Bildung für nachhaltige Entwicklung – Konsequenzen für den Biologieunterricht (vgl. auch „Biologie in der Schule“, 48. Jahrg., Heft 3/99)
1. Einleitung
Seit der Konferenz der Vereinten Nationen über Umwelt und Entwicklung 1992 in Rio de Janeiro und der dort beschlossenen Agenda 91 / 1 / sowie dem Beschluß der 4.Kommission für nachhaltige Entwicklung 1996 in New York wird auch in Deutschland eine intensive Diskussion darüber geführt, welchen Beitrag die Bildung und Erziehung in den verschiedenen Bereichen leisten kann und muß, um eine zukunftssichernde Entwicklung von Natur und Gesellschaft zu erreichen. Nicht selten wird diese Diskussion nur auf die Umweltbildung und -erziehung und zu dem auf außerunterrichtliche Möglichkeiten in diesem Zusammenhang bezogen. Wenn von Bildung für nachhaltige Entwicklung gesprochen wird, ist aber mehr gemeint, nämlich eine qualitative Weiterentwicklung der Bildung und -erziehung, wobei die Idee der nachhaltigen Entwicklung allen Bemühungen sozusagen als Leitbild zugrunde gelegt werden muß. Im besonderem Maß muß dabei der Unterricht und damit auch der Biologieunterricht ins Blickfeld rücken, denn die schulpflichtigen Kinder und Jugendlichen nehmen ja normalerweise 30 bis 35 Stunden in der Woche am Unterricht teil. Sich über Konsequenzen aus der Konzeption über nachhaltige Entwicklung für den Unterricht zu verständigen, setzt aber voraus zu klären, was diese Konzeption eigentlich beinhaltet. Dieser Frage soll zunächst nach gegangen werden. Im zweiten Teil soll versucht werden, einige Ziel- und Inhaltsvorstellungen zu erörtern, um dann im dritten Teil einige daraus folgende Konsequenzen für den Biologieunterricht vorzustellen.
2. Was ist eigentlich mit nachhaltiger Entwicklung gemeint?
Bekanntlich ist dieser Begriff im 19.Jahrhundert im Zusammenhang mit der Waldbewirtschaftung geprägt worden. Der Holzbedarf nahm mit der Industriealisierung zu. Der Waldbestand aber war durch die mittelalterlichen Rodungsaktionen in Deutschland bis auf 30% geschrumpft, was zwingend gebot zu überlegen, wie man den verbliebenen Wald so bewirtschaftet, um in Gegenwart und Zukunft eine kontinuierliche Versorgung mit dem so wichtigen Rohstoff Holz zu sichern. Unter Berücksichtigung der Entwicklung der Forstbäume mußten dabei Zeiträume von 100 und mehr Jahren überblickt (in Rechnung gestellt ) und Wirtschaftsformen gewählt werden, die eine natürliche Regeneration des Waldes nach der Holzentnahme ermöglichten. Diese hier nur angedeuteten Überlegungen und Konzeptionen wurden unter dem Begriff nachhaltige Entwicklung der Forsten zusammen gefaßt. Inhalt und Umfang des Begriffes waren zwar eng forstwirtschaftlich geprägt, aber Ausdruck einer progressiven Tendenz.
Im Ergebnis vor allem der Konferenz in Rio 1992 erhielt der Begriff einen qualitativ völlig neuen Inhalt und Umfang.
Der Hintergrund dafür sind andere Bedingungen im Vergleich seiner Bildung im vergangenen Jahrhundert. Wie bekannt hat die anthropogen bedingte Zerstörung und Belastung der Umwelt mit ihren direkten Folgen Ausmaße angenommen, die die Existenz der lebenden Natur und damit der menschlichen Zivilisation bedrohen, was leider zwar teilweise bekannt ist, aber in vieler Hinsicht sowohl im Großen wie im Kleinen nicht das Handeln bestimmt. Im Grunde führen wir das Leben so weiter (man braucht sich nur Werbespotts im Fernsehen und das Konsumtionsverhalten anzusehen) als gäbe es diese Bedrohung überhaupt nicht. Und bedauerlicher Weise gelingt es der Politik nicht, konsequent und schnell genug Rahmenbedingungen zu gestalten, die helfen, eine umweltschonende Lebensweise zu fördern.
Hier sollen nur einige Beispiele angedeutet werden, die die bekannten Belastungen und Zerstörungen derUmwelt kennzeichnen:
· Bekannt ist die zunehmende Verdünnung der Ozonschicht in den oberen und der Bildung von Ozon in den erdnahen Luftschichten infolge von Bedingungen, die durch menschliche Tätigkeit zustande kommen. Die Folgen für Lebewesen, insbesondere den Menschen sind bekannt. Dieses Problem haben wir im Lehrbuch der Klasse 9 für Sachsen / 2, S.133 / mit der nachfolgenden Skizze veranschaulicht.
Der sogenannte Treibhauseffekt mit seinen z. Z. unterschiedlich diskutierten Auswirkungen ( u.a. Schmelzen des „festen Wassers“ und Erhöhung des Meeresspiegels mit entsprechenden Folgen; Veränderung des Golfstromes mit der Folge einer neuen Eiszeit ) ist ebenfalls ein bekanntes Indiz für Veränderungen der natürlichen Bedingungen. Dieser Effekt ist unbestritten die Folge der Erhöhung des CO² Gehaltes der Atmosphäre. Die folgende , im Unterricht gut einsetzbare Graphik, zeigt am Beispiel der letzten 160 000 Jahre den Zusammenhang zwischen dem Anstieg des CO²-Gehaltes in der Atmosphäre und der Erhöhung der Durchschnittstemperatur auf unserem Planenten, wobei unbestritten ist, daß der gegenwärtige rapide Anstieg des CO²-Gehaltes hauptsächlich durch den Menschen verursacht wird / 3 /.
Ein weiterer Ausdruck der Bedrohung der Umwelt ist das Artensterben. Nach Schätzungen gehen täglich 70 bis 300 Arten verloren - ein unwiederbringlicher Verlust. Das Ausmaß - bezogen auf die letzten 200 Jahre - veranschaulicht die folgende Graphik / 4 S. 39/ :
Noch mehr Betroffenheit lösen oft Beispiele für das Artensterben im eigenen Heimatgebiet aus. Eine Untersuchung in Mecklenburg-Vorpommern beispielsweise ergab, daß von 2359 ursprünglich vorhandenen und jetzt im Rahmen einer Untersuchung überprüfte Fundorte von Pflanzen trockener Standorte nur noch 447 bestätigt werden konnten, d.h., daß sich deren Anzahl um 81 % in den letzten Jahrzehnten insbesondere durch Baumaßnahmen verringert hat. Im Ergebnis sind 27 Arten nicht mehr anzutreffen; sie müssen als aus- gestorben gelten / 5, S. 26-27 /. In den anderen Bundesländern wird es sehr wahrscheinlich nicht anders aussehen. Aus der erwähnten Untersuchung / 5 / einige Beispiele:
Es könnten noch viele weitere Beispiele wie die fortwährende Rodung tropischer Regenwälder mit der Vernichtung zahlreicher Arten ( 90% der 1413000 Millionen bekannter Arten haben ihren Lebensraum in tropischen Regenwäldern / 6,S.165-171/ ) die weltweite Ausbreitung von Wüsten-bzw. Versteppungsgebieten, die Verschmutzung der Gewässer, die Folgen möglicher nuklearer Unfälle und nicht zuletzt die weiter dramatisch wachsende Weltbevölkerung, ( obwohl von Seiten der UNO die Prognosen leicht nach unten korrigiert wurden und nach jetzigen Schätzungen im Jahre 2050 vermutlich 8,9 Milliarden Menschen die Erde bevölkern werden / 7 / ), angeführt werden, um zu belegen, daß die Bedrohung der Existenz des Lebens auf der Erde und damit unserer Existenz kein „Gespenst“ ist, das sensationslüstern an die Wand gemalt wird.
Es muß also etwas geschehen, wenn auch künftige Generationen auf unserem Planeten noch Lebensbedingungen vorfinden sollen. Davon ausgehend ist der Begriff der nachhaltigen Entwicklung wieder aufgegriffen worden, aber – wie bereits angedeutet – in einem umfassenderen Sinne definiert und als zentrales Ziel vorgegeben worden. Kurz gefaßt, wird darunter verstanden, Rohstoffe und Energieträger so sparsam und wirkungsvoll zu nutzen, daß die wichtigsten Bedürfnisse der heutigen Generationen befriedigt und gleichzeitig die zukünftige Entwicklung nicht beeinträchtigt werden. Im Detail gibt es hinsichtlich der damit verbundenen Aspekte vielfältige Diskussionen. Weitgehende Einigkeit besteht aber darin, daß umweltgerechtes, vorausschauendes und damit auf die Zukunft orientiertes Leben und Wirtschaften von drei grundlegenden Kriterien bestimmt sein muß /8, S.20 / :
Analysiert man die Auffassungen zum Begriff der nachhaltigen Entwicklung im Vergleich zur erwähnten forstwirtschaftlichen Fassung, ist eine wesentliche Erweiterung von Inhalt und Umfang unverkennbar. Durch die Erweiterung sind alle heute wesentlichen Komponenten der Entwicklung in Natur und Kultur eingeschlossen. Dazu zählen u.a.:
· Die natürlichen Lebensbedingungen ( z.B. Lebewesen; Luft, Wasser Boden; Landschaft ).
· Ökonomische Aspekte in Einheit mit den ökologischen Gegebenheiten.
· Die sozial-kulturelle Dimension.
· Die Intergenerationalität und schließlich
· Die Globalisierung aller Prozesse.
Mayer / 9 , S.32 / hat dazu eine Graphik entwickelt, die diese hier diskutierten Aspekte sehr gut veranschaulicht :
Aus diesem Leitbild abgeleitet, werden u.a. drei Strategien („Angriffspunkte“ ) genannt, die darauf abzielen, die Idee der nachhaltigen Entwicklung zur bestimmenden Orientierung für die praktische Tätigkeit in allen gesellschaftlichen Bereichen zu machen.
· Die Effizienzstrategie zielt darauf ab, eine Optimierung aller Wirtschaftsprozesse zu erreichen, um negative Wirkungen zu vermeiden. Im Grunde geht es bei dieser Strategie um Schadensbegrenzung und damit noch nicht um eine qualitativ andere Wirtschaftsweise.
· Mit dem Begriff „ Konsistenzstrategie „ wird dagegen eine Strategie beschrieben, mit der beabsichtigt ist, eine Integration ökonomischer und ökologischer Prozesse zu erreichen und damit ein völlig neues Verhältnis von Natur und Mensch zu erreichen, das auf der einen Seite die Befriedigung wesentlicher Bedürfnisse der gegenwärtig lebenden Menschen sichert, gleichzeitig aber die Lebensgrundlagen für künftige Generationen erhält. Letztlich geht es darum, von der Natur immer nur den Überschuß ( die Zinsen) zu verwerten und so eine natürliche Regeneration der Ökosysteme zu sichern bzw. zu ermöglichen .
· Diese zweite Strategie schließt eine weitere ein, nämlich die Suffizienz, d. h. umweltgerechte Lebensstile und Lebensgewohnheiten zu fördern, die Selbstbegrenzung und Selbstbeschränkung einschließen. Hier geht es um eine generelle Veränderung des Denkens und Handelns jedes einzelnen mit dem Ziel, einem neuen Wohlstandsmodell zu folgen. Das ist wohl eine der Zielsetzungen nachhaltiger Entwicklung, die adäquate politische Rahmenbedingungen erfordern und nur mit viel Geduld und Überzeugungskraft derjenigen zu erreichen sein wird, die sich der Verantwortung für die Zukunft bereits bewußt sind.
Aus anderer Sicht ist von der BLK in dem Orientierungsrahmen „Bildung für eine nachhaltige Entwicklung“ / 8, S.20-22 ) der Inhalt des Leitbildes der nachhaltigen Entwicklung wie folgt beschrieben worden:
Diese Interpretation des Leitbildes nachhaltiger Entwicklung ist als gesellschaftspolitische Orientierung zu verstehen, von der ausgehend, erst pädagogische Untersuchungen erforderlich sind, um Konsequenzen hinsichtlich der Ziele, der Inhalte und der Grundsätze der Gestaltung von Bildungs- und Erziehungsprozessen zu erkennen.
3. Konsequenzen für die Bildung aus der Sicht nachhaltiger Entwicklung
3.1. Vorbemerkung
Inzwischen sind vielfältige Untersuchungen und Diskussionen auf zahlreichen Konferenzen / z.B. 10, 11 / mit dem Ziel erfolgt, aus den weitreichenden Intensionen nachhaltiger Entwicklung die Aufgaben der Bildung und Erziehung in diesem Zusammenhang zu bestimmen. Die Auffassungen dazu sind im einzelnen sehr unterschiedlich, teilweise kontrovers. An dieser Stelle ist es nicht möglich, darauf näher einzugehen. Obwohl eine weitgehend abgesicherte Konzeption z. Z. noch nicht vorliegt, muß in der Schule und hier insbesondere im Unterricht begonnen werden, Ziele , Inhalte und Grundsätze der Gestaltung des Unterrichts am Leitbild der nachhaltigen Entwicklung zu orientieren. Im folgenden soll daher der Versuch unternommen werden, diesen Prozeß durch einige Überlegungen zu fördern (anzuregen ), wobei die Aussagen vorläufigen Charakter haben.
3.2. Allgemeine Feststellungen
· Zunächst können wir bezogen auf den Biologieunterricht - für einige andere Fächer trifft das nach vorliegenden Untersuchungsergebnissen nicht zu - feststellen, daß es zahlreiche Aktivitäten gibt, zwar nicht „flächendeckend“ und oft nicht bewußt unter dem Aspekt nachhaltiger Bildung, die aber von ihrer Tendenz und Wirkung dem hier diskutierten Anliegen durchaus entsprechen. So haben Umwelt- und Naturschutzprobleme mehr Raum und Gewicht in den Lehrplänen, Lehrbüchern und im Unterricht selbst erhalten Die situationsbezogene teilweise auch praktische Freilandtätigkeit / vergl. hierzu auch 12 / hat zugenommen. Wir brauchen also nicht bei Null anzufangen.
· Viele der Aktivitäten beziehen sich aber auf den außerunterrichtlichen Bereich. Das sollte auf keinen Fall eingegrenzt werden. Erforderlich ist aber, den Gedanken der nachhaltigen Entwicklung stärker in den Unterricht hinein zu tragen, denn die Schüler/innen befinden sich nun einmal normalerweise 30 und mehr Stunden in der Woche im Unterricht.
· Um im Unterricht mehr zu tun, brauchen wir als Voraussetzung nicht unbedingt einen neuen Lehrplan. Die derzeit gültigen Lehrpläne bieten in der Regel hinreichend Spielraum, um Akzentuierungen im Sinne nachhaltiger Bildung durch die Lehrkräfte vorzunehmen. Ob eine generelle Lehrplanüberarbeitung oder gar ein qualitativ völlig neues Lehrplanwerk entwickelt werden muß, um insbesondere dem Zukunftsaspekt nachhaltiger Entwicklung voll zu entsprechen, müssen weitere Untersuchungen erbringen. Ich vermute, das dies auch aus anderer Sicht / vergl. TIMS-Studie-13 / unerläßlich werden wird.
· Wenn davon die Rede ist, den Aspekt nachhaltiger Bildung insbesondere im Unterricht zu verstärken, dann bezieht sich das nicht nur auf den Biologieunterricht, sondern auf alle Unterrichtsfächer, vor allem auf die geisteswissenschaftlichen Fächer. Um die dafür erforderlichen fachlichen Grundlagen zu fördern und methodische Möglichkeiten zu erkennen, sollte der Erfahrungsaustausch an jeder einzelnen Schule gefördert werden, wobei die Biologielehrer/innen mit gutem Beispiel voran gehen sollten.
· Um im Unterricht für eine nachhaltige Bildung mehr zu tun ,sind zumindest vorläufige Ziel- und Inhaltsvorstellungen unerläßlich ( es hat noch nie Bildungs- und Erziehungsprozesse ohne Ziel- und Inhaltsvorstellungen gegeben; das wird auch in Zukunft so sein. Daß unsere Schüler/innen im Rahmen der TIMS-Studie nur „mittlere Plätze“ - wie es so schön heißt - belegt haben, ist u. a. auch darauf zurück zu führen, daß der Ziel- und Inhaltsaspekt des Unterrichtsprozesses gegenwärtig vernachlässigt wird. Natürlich sind andere Aspekte, beispielsweise eine neue „Aufgabenkultur“ ebenfalls wichtig, erfordern aber zu ihrer Lösung eine gesicherte Ziel- und Inhaltsvorgabe: es handelt sich in diesen Fällen also um Folgeprobleme.
3.3. Zu einigen Ziel- und Inhaltsvorstellungen im Hinblick auf Bildung für eine nachhaltige Entwicklung
Aussagen zu Zielen und Inhalten sind in einigen Veröffentlichungen enthalten. Dazu zählen vor allem:
· Das „ Bildungsprogramm für nachhaltige Entwicklung in der Bundesrepublik Deutschland“ der Arbeitsgemeinschaft Natur- und Umweltbildung e. V. (ANU); der Gesellschaft für Umwelterziehung e. V. (DGU) und der Gesellschaft für berufliche Umweltbildung e. V. (Gb)
/ 14 / ).
· Der schon erwähnte Orientierungsrahmen „Bildung für nachhaltige Entwicklung“ der Bund-Länder-Kommission...(BLK) / 8 ).
· Berichte verschiedener Konferenzen sowie Stellungnahmen von Verbänden, z. B. des Deutschen Sportbundes.
Diese Aussagen sind zweifellos hilfreich. Da aber eine widerspruchsfreie Ziel- und Inhaltsbestimmung vorzunehmen, relativ langwierig und vor allem mit hermeneutischen Mitteln möglich ist, kann nicht angenommen werden, daß mit diesen wichtigen Arbeiten alle Probleme in dieser Hinsicht gelöst sind. Das ist auch von den im folgenden dargestellten Zielaussagen, die sich auf die vorgenannten Veröffentlichungen stützen , aber auch eigene Überlegungen einschließen, nicht zu erwarten. Sie sind im Auftrage der Arbeitsgruppe „ Umweltbildung und -erziehung in Mecklenburg-Vorpommern“ erarbeitet worden und werden hier in verkürzter Form wieder gegeben / vergl. hierzu 15 /. Sie sollen eine gewisse Orientierung vermitteln, aber auch Lehrer/innen anregen, selbst weiter darüber nachzudenken. Im Rahmen dieses Artikels ist es nicht möglich, im einzelnen auf Begründungen einzugehen. Da möglicherweise aber verwundert, daß der Schutz der Mannigfaltigkeit an erster Stelle genannt wird, ist dazu doch eine Anmerkung angebracht. Der Grund, der hier bestimmend war, ist relativ einfach. Er umfaßt den Gedanken, daß alle Bemühungen, eine nachhaltige Entwicklung zu erreichen, letztlich darauf gerichtet sein müssen, die Biosphäre mit ihren vielfältigen Ökosystemen und ihrer Artenvielfalt zu erhalten. Gelingt das nicht, bedeutet das das Ende der Zivilisation.
Von diesen Zielvorstellungen ausgehend, wurden acht Rahmenthemen vorgeschlagen, die in allen Unterrichtsfächern Berücksichtigung finden sollen. Dabei wurde unterstellt, daß in Abhängigkeit von der Spezifik des Faches unterschiedliche Akzente gesetzt werden müssen. Sicher werden aber für jedes Fach - auch für den Biologieunterricht - ungewohnte Fragestellungen auftreten, die auch neue Wege in der Gestaltung des Unterrichts erfordern. Es ist daher unumgänglich, daß jeder Fachlehrer, jede Fachlehrerin immer wieder prüft, welche Möglichkeiten ihr Fach bietet, um zur Bildung für eine nachhaltige Entwicklung beizutragen. Um „ einfache „ zu einem Übersättigungseffekt bei den Schülern führende „ Doppelungen „ möglichst zu vermeiden, ist es dringend angeraten ,daß sich die Fachlehrer/innen zumindest einer Fächergruppe der Schule zu Beginn eines Halbjahres über wichtige Themen abstimmen, was ja ohnehin notwendig ist, wenn gemeinsame Projekte vorgesehen sind. Im folgenden werden diese acht Themenkomplexe vorgestellt:
4. Schlußfolgerungen für den Biologieunterricht
4.1. Vorbemerkung
Zunächst wollen wir kurz der Frage nachgehen, welche allgemeinen Akzentuierungen notwendig erscheinen. Im zweiten Teil soll der Wert der Artenvielfalt in Verbindung mit Bildung für nachhaltige Entwicklung erörtert werden. Schließlich wollen wir danach fragen, ob aus der Sicht nachhaltiger Entwicklung bestimmte Themen mehr Raum erhalten müssen oder sogar neue Themen in gültige Lehrpläne aufgenommen werden sollten ( dritter Teil ).
Abschließend folgen einige Anmerkungen zur Organisation und Gestaltung des Unterrichts.
4.2. Akzentuierungen allgemeiner Art
Bildung für nachhaltige Entwicklung erfordert auch im Biologieunterricht Akzentuierungen unterschiedlichster Art ( Akzentuierung hier im Sinne von Nachdruck verleihen gemeint ), wobei z.B. oft Anmerkungen, Hervorhebungen oder spezielle Hinweise genügen. Zwei Aspekte scheinen durchgängig von Bedeutung zu sein :
· Der erste betrifft das Wechselverhältnis lokaler - regionaler und globaler Prozesse. Viele Menschen denken und handeln nach wie vor aus lokaler Sicht. Über die Auswirkungen lokaler Handlungen wird meist nicht reflektiert und damit auch nicht bewußt , daß auf Grund des erwähnten Wechselverhältnisses lokale „Sünden“ sich über globale Auswirkungen verstärken und oft potenziert auf den zurück wirken, der geglaubt hat, daß sein umweltbelastendes Tun ihn direkt nicht trifft. Deshalb sollte versucht werden, an eindrucksvollen Beispielen, den Schülern/innen die durch anthropogene Tätigkeit neue Qualität dieses Wechselverhältnisses bewußt zu machen. Als Beispiele könnten u. a. dienen :
° Ein nach meinen Erfahrungen wirkungsvolles Beispiel bietet die Ozon-Problematik mit ihren beiden für die Gesundheit relevanten Aspekten- der Bildung dieses Gases in den
unteren Luftschichten und der Verdünnung der Ozonschicht in den oberen Luft –
schichten im Ergebnis von Immissionen verschiedenster Art (siehe Abb.1 ). An diesem Beispiel läßt sich im Rahmen von Umweltschutzthemen sehr gut zeigen, daß umweltbelastende Lebensgewohnheiten jedes einzelnen sich an ihm selbst rächen ( a. u. Hautkrebs infolge erhöhter UV-Strahlung). Niemand kann da ausweichen.
° In Verbindung mit der Behandlung von Stoffkreisläufen könnte beispielsweise bei der Erörterung der Funktion der Destruenten verstärkt mit berücksichtigt werden, daß durch anthropogen „ausgelöste“ biologische Prozesse eine zusätzliche Erhöhung des CO²-Gehaltes in der Atmosphäre bewirkt und damit der sogenannte Treibhauseffekt gefördert wird. Was geschieht, wenn große Feuchtgebiete mit riesigen Mengen organischen Materials trocken gelegt werden (z.B. die Friedländer Wiese in Mecklenburg-Vorpommern)? Welche Folgen hat es, wenn laufend Torf abgebaut und zu Blumenerde verarbeitet und dann ausgebracht wird? Hier läßt sich eine vereinfachte Gedankenkette konstruieren: Abbau durch Destruenten CO² in großen Mengen, so daß eine vollständige Aufnahme durch die grünen Pflanzen nicht möglich ist ÞTreibhauseffekt z.B. Abschmelzen des „festen Wassers“ der Arktis ÞEntlastung der „ Nordplatte“, als Folge eine allmähliche Anhebung Þ„Kippen“ der Ostsee in das Norddeutsche Tiefland. Wichtig ist in diesem Zusammenhang, daß schematische Darstellung von Kreisläufen nicht den Eindruck der Geschlossenheit erwecken (sie folgendes Beispiel )
· Ein zweiter allgemeiner Akzentuierungsaspekt bezieht sich auf die Auswirkungen unseres gegenwärtigen Handelns auf die Zukunft. Dieser Aspekt ist deshalb so wichtig, weil viele Menschen nach wie vor gegenwartsbezogen denken und handeln, die Wirkungen ihres Tuns aber im Unterschied zur Zeit vor der Industriealisierung zunehmend weit in die Zukunft wirken. Es ist daher auch in diesem Falle im Interesse nachhaltiger Bildung sehr bedeutsam, an Beispielen zu zeigen, was wir nachfolgenden Generationen aufbürden, wenn wir heute leichtfertig handeln. Dies bedeutet gleichzeitig – wie bei anderen Fragen auch – das Verantwortungsbewußtsein zu fördern. Anknüpfungspunkte finden sich in den Stoffplänen genügend. So wäre es z. B. denkbar, in Verbindung mit Betrachtungen zur segensreichen Wirkung von Penicillin bei der Bekämpfung bakterieller Infektionen darüber zu diskutieren, welche Fernwirkungen durch unkontrollierte Anwendung dieses Antibiotikums u. a. auch in der Tierhaltung zu erwarten sind und welche Folgerungen hieraus gezogen werden müssen, um Gefahren für die Zukunft auszuschließen ( Problem der Herausbildung resistenter Stämme gegenüber Penicillin ). Der erfahrene Lehrer wird sicher viele weitere Möglichkeiten finden, um auf Gefahren gegenwärtigen Handelns für die Zukunft aufmerksam zu machen. Sicher gehören dazu das Artensterben und die damit verbundenen Gefahren für die Stabilität von Ökosystemen; der Mißbrauch von Chemotherapeutika und die mögliche dauerhafte Schwächung des Immunsystems sowie die zu erwartende Veränderung der Bodenflora und -fauna durch die Anwendung von chemischen Mitteln verschiedenster Art im Pflanzenanbau.
4.3. Wert der Artenvielfalt und nachhaltige Entwicklung
Der Wert der Artenvielfalt für die Existenz von Leben und damit auch des Menschen ist in den letzten Jahrzehnten voll bewußt geworden ( vergl. hierzu /6, 19/ ). Der Biologieunterricht und die Fachdidaktik Biologie haben dankenswerter Weise rasch darauf reagiert (vergl. hierzu /16, 17, 18 /). Hier entsteht nun die Frage, welche Aspekte im Interesse nachhaltiger Bildung im Biologieunterricht betont werden sollten, wobei davon ausgegangen wird, daß es zu den ureigensten Aufgaben des Biologieunterrichts gehört, Verständnis für den Wert der Artenvielfalt zu wecken, was aber nicht heißt, daß nicht auch andere Fächer - z. B. der Kunstunterricht - dazu beitragen müssen und das auch in vielen Fällen tun.
· Verständnis für die historische Entwicklung der Artenvielfalt zu wecken, ist eine wichtige Aufgabe, weil dies ein Weg ist, um zu begreifen, daß die Existenz von Leben auf der Erde heute von der Erhaltung der Artenvielfalt abhängt und Katastrophen im Verlaufe der Erdgeschichte (siehe Metereoiten-Einschlag vor etwa 65 Millionen Jahren: zwar Aussterben der Saurier, gleichzeitig aber Beginn der Entwicklung anderer Gruppen z. B. der Säuger ). Bei dieser Analyse wird auch sichtbar, daß nach einer Katastrophe 20 bis 100 Millionen Jahre Entwicklung nötig waren, um entstandene Verluste an Arten wieder auszugleichen. Dies sollte genutzt werden, um die Verantwortung des Menschen zu betonen, nicht selbst eine Katastrophe herbei zu führen. Für diese Problematik könnte die bereits im ersten Abschnitt dargestellte Grafik genutzt werden / 6, S.234 /.
· Hier schließt sich zwingend eine zweite Aufgabe an, nämlich den Schülern/innen den Wert der Artenvielfalt bewußt zu machen. Kenntnis von Arten und der Wert der Artenvielfalt sind nicht gleich zu setzen. Für Heranwachsende ist es vermutlich gar nicht so einfach zu verstehen, warum es lebensnotwendig ist, daß wir von zahlreichen Arten - gelegentlich auch Plagegeistern - umgeben sein müssen. Um dieses Verständnis zu erreichen, bieten sich u. a. folgende Möglichkeiten an:
° Die Analyse der Beziehungen einer Art mit anderen - beispielsweise der Großen Brennessel und der Entwicklung einer Reihe bekannter Tagfalter ( siehe das folgende Beispiel / 20, S.9 / ):
° Genutzt werden sollte auch die Analyse der Wechselwirkungen verschiedenerArten in Ökosystemen ( u. a.Nahrungsnetze ), um zu zeigen, daß die Stabilität von Ökosystemen und damitletztlich auch der Biosphäre davon abhängt, daß viele Arten vorhanden sind,die in enger Wechselbeziehung stehen.
° Diean sich natürliche „ Bewußtheit „ über die Bedeutung von Organismen alsQuelle für Nahrungs- und Heilstoffe geht aus den verschiedensten Gründen immermehr verloren. Es ist durchaus im Sinne einer Bildung für nachhaltigeEntwicklung, dieses Bewußtsein wieder zu beleben. Dabei könnte nützlich sein,darauf hinzuweisen, daß unsere Versorgung mit Nahrungsstoffen gegenwärtig zwarweitgehend gesichert ist, wobei aber fast 50% dieser Stoffe von drei Artenstammen ( Reis, Mais, Weizen ), aber angesichts der wachsenden Erdbevölkerunginfolge von auch Gefahren, die den jetzt genutzten Arten drohen, Nahrungsmangelnicht ausgeschlossen werden kann. Die Artenvielfalt bietet einen Ausweg, dennderzeit werden etwa nur 7000 Arten genutzt, aber mindestens 30000 Arten weisen eßbareTeile auf. (vgl. /6 / ). Ähnliches läßt sich im Hinblick auf Heilstoffesagen. Zahlreiche Pflanzen, Tiere, Pilze und Bakterien produzieren Stoffe, diehelfen , Krankheiten zu lindern oder sogar zu heilen. Viele dieser Heilstoffesind vermutlich noch gar nicht entdeckt. Dies wäre schon Grund, jede einzelneArt zu bewahren.
° Schließlich sollte auchimmer wieder darauf hingewiesen werden, daß jedes Lebewesen allein auf Grund seiner Existenz ein Wert an sich ist. JedesLebewesen ist einmalig.
· Wirdder Wert der Artenvielfalt akzeptiert und die sich daraus ergebendeVerantwortung des Menschen für deren Erhaltung angenommen, ist es unerläßlichzu wissen, welche Faktoren und Bedingungen das schon erwähnte Artensterbenbewirken. Bildung für nachhaltige Entwicklung verlangt in diesem Zusammenhang,an Beispielen die konkreten Ursachen für den Rückgang bzw. das Aussterben vonArten zu analysieren. Erfreulicher- weise geben Lehrpläne und Lehrbücher fürden Biologieunterricht dieser Aufgabe zunehmend mehr Raum. Neben der Vernichtungvon Lebensraum sollte aber der Veränderung der Lebensbedingungen z.. B. durchEintrag von Schadstoffen durch intensive landwirtschaftliche und gärtnerischeProduktion noch mehr Aufmerksamkeit geschenkt werden. Trotz der im Rahmen ökologischerFragestellungen vorgestellten Minimum-Optimum-Maximum Kurve ist vielen Menschennicht bewußt, daß Leben hier auf der Erde nur in einem äußerstengen Bedingungsbereich möglich ist. Um dies überzeugend zu zeigen, sindvermutlich Experimente unumgänglich. Wir haben in dem Lehrerhandbuch ÖkologieII / Beispiele beschrieben, wobei Wasserlinsenund der Wasserläufer alsVersuchsobjekte dienten / 21 / .
· Ausden vorhergehenden Betrachtungen ergibt sich zwangsläufig, daß derBildungswert von Sippen- (Formen-) kenntnissen zunehmend wächst. Dies ist aucherkannt worden. Auf entsprechende Veröffentlichungen wurde bereits hingewiesen/ u. a.16, 17, 18 /. Erfreulicher Weise unterstützen die Lehrbücher denUnterrichtsprozeß auch in diesem mit bemerkenswerten Angeboten:
° So wird z.B. in Verbindung mit der Behandlung einzelner Gruppen durchanregend gestaltete Seiten die Artenvielfalt der Gruppe vorgestellt. ZurIllustration soll nur ein Beispiel ausgewählt werden / 22, S 66 /:
°Ein zweites Beispiel bezieht sich auf die Behandlung größerertaxonomischer Gruppen wie z. B der Samenpflanzen undder Wirbellosen. Im ersten Falle wird meist gleich mit den allgemeinenBaumerkmalen, im zweiten Falle mit einzelnen Gruppen begonnen. Hier wird derVorschlag empfohlen, zunächst am Beispiel überschaubarer Kleinbiotope bzw.-habitate eine Vorstellung von der Vielfalt oft auf engsten Raum zu vermittelnund erst dann allgemeine Merkmale zu behandeln. Im Biologie für die Klasse 5/6,Thüringen ( Gymnasium ) / 22,S. 145 / wird dies bezogen auf denPflanzenabschnitt durch die Gestaltung einer Seite unterstützt, die auf dieAnalyse von Pflasterritzengesellschaften orientiert, wobei als Hilfsmittel auchdie entsprechenden Bestimmungstabellen des Arbeitsbuches „ Schüler bestimmenPflanzen „ genutzt werden kann / 23 / .Für höhere Klassen steht außerdemdas Bestimmungsbuch „Pflanzen der Heimat“ / 24 / zur Verfügung.
Im Falle der Wirbellosen wurde alsEinstieg die Artenvielfalt im Haus gewählt. Auch hier handelt es sich um einKleinhabitat, das von den Schülern/innen einer 5. bzw. 6. Klasse gut überschaubarist. Als Hilfsmittel steht in dem Arbeitsheft „Lebewesen in Haus und Garten / 25 / eine spezielle, für Schüler/innenleicht handhabbare Bestimmungshilfe zur Verfügung. In dem schon erwähntenLehrbuch für Thüringen, Kasse 5/6 / 22, S.211 / wurde dazu ebenfalls einentsprechender Abschnitt gestaltet.
Da wichtige Teilaspekte hinsichtlich des Wertes der Artenvielfalt nacheinanderin verschiedenen Klassen und in unterschiedlichen Zusammenhängen behandeltwerden, sollte an einer Stelle im Verlaufe des Biologielehrganges einezusammenfassenden Erörterung erfolgen. Dies könnte an der „ Schnittstelle„ zwischen mehr speziell und mehr allgemein orientierten Themen erfolgen. Inden vielen Lehrplänen ist diese Schnittstelle die Klasse acht. Im Lehrbuch fürden Biologieunterricht der Klasse 8, Sachsen, Gymnasium / 20, S. 6 bis 15 / einKapitel unter der Überschrift „ Artenreichtum von Organismen auf der Erde „gestaltet.
· Abschließendzu diesem Abschnitt soll nur noch auf die jedem Biologielehrer, jederBiologielehrerinn bewußte Tatsache aufmerksam gemacht werden, daß derwirkungsvollste Weg, um den Wert der Artenvielfalt auch emotional zuverinnerlichen, darin besteht, auch praktisch mit Organismen umzugehen undselbst aktiv an Maßnahmen zum Umwelt- und Artenschutz mitzuwirken. DieForderung nach Objektbezogenheit im weitesten Sinne hat also auch im Hinblick aufBildung für nachhaltige Entwicklung ihre volle Berechtigung.
4.4.Themen, die gegenwärtig in den Lehrplänen nicht hinreichend repräsentiertsind
Mitden Hinweisen auf einige Themen, die aus der Sicht der Bildung für einenachhaltige Entwicklung derzeit unterrepräsentiert erscheinen, soll lediglichauf derzeit erkennbare Defizite aufmerksam gemacht werden, ohne den Versuch zuunternehmen, die schon angedeutete Fragestellung, ob ein neuer Lehrplannotwendig wird, zu erörtern. Defizite sind offenbar vorhanden, wenn man dieStoffpläne mit den Intensionen nachhaltiger Entwicklung vergleicht. Zumindestauf Mecklenburg-Vorpommern lassen sie sich aber alle im Rahmen der jetzigenLehrpläne für die verschiedenen Schultypen ausgleichen. Dies wird aberSchwerpunktverschiebungen notwendig machen, für die die Lehrpläne denLehrern/innen aber Spielraum lassen. Folgende Problemkreise sollten m. E. imRahmen der hier angeregten Überlegungen Berücksichtigung finden.
· Dererste Problemkreis bezieht sich auf den ökölogischen Landbau. Wenn man z. B.bedenkt, daß die intensiv betriebene Landwirtschaft an zweiter Stelle derFaktoren steht, die das Artensterben weltweit bedingen, dann ist deren „ ökologischerUmbau „ eine wichtige Aufgabe, umeine nachhaltige Entwicklung zu sichern. Damit ist nicht gesagt, daß es keinewichtigeren gibt. Aber bezogen auf den Inhalt des Biologieunterrichts solltediese Aufgabe schon Raum erhalten. Im Zusammenhang mit der Behandlung vonNutzpflanzen und Nutztieren läßt sich dies auch realisieren.
· NachhaltigeEntwicklung verlangt, verstärkt Stoffe zu nutzen, die immer wieder nachwachsen.Deshalb sollte diese wichtige Aufgabe ebenfalls gebührend berücksichtigtwerden. Zum Teil geschieht das auch. Beispielsweise wird in Verbindung mit derBehandlung der Kreuzblütengewächse der Rapsauch als Art vorgestellt, deren Samen nicht nur zur Gewinnung von Speiseöl,sondern auch zur Herstellung von Schmierstoffen und Treibstoffen ( Diesel )dienen. Den Hanf dagegen lernen dieSchüler meist nur als Grundlage für die Herstellung einer Droge kennen, obwohler als Faserpflanze und auch die Herstellung anderer Produkte ( z. B. Brot, Bier) zunehmend eine größere Rolle spielt. Dies führt zu der Forderung, das Thema„ Nachwachsende Rohstoffe „ prinzipieller zu fassen und dafür eine eigenständigeStoffeinheit vorzusehen.
· Ähnlichesgilt von Heilstoffen, die aus Pflanzen und anderen Organismen gewonnen werden.Wir setzen gegenwärtig in hohem Maße auf Chemotherapeutika mit oft zahlreichenNebenwirkungen. Viele beschleicht Angst, wenn sie die Packungsbeilagen lesen. Invielen Fällen bieten Heilstoffe, die aus Organismen gewonnen wurden, oft sogareine wirkungsvollere Alternative ohne Nebenwirkungen in unübersehbarer Anzahl.Kenntnisse über diese Heilstoffe sind teilweise „ verschüttet „.DerBiologieunterricht sollte durchaus als sein Anliegen sehen, diese Kenntnissewieder frei zu legen und die Jugendlichen dafürzu sensibilisieren, an der Suche nach weiteren Naturheilstoffen selbstmitzuwirken.
· Schließlicherscheint es auch notwendig, die mit dem rasanten Wachstum der Bevölkerung aufder Erde zusammen hängenden Probleme stärker in das Blickfeld zu rücken.Grundlagen können die bekannten Prognosen bilden. Sie sollten genutzt werden umnicht nur Ernährungsprobleme, sondern auch die mit Armut und kulturhistorischenEntwicklungen zusammenhängenden Fragen und Probleme zu diskutieren.
NähereUntersuchungen werden sicher weitere Defizite und möglicherweise auchprinzipielle Fragen der Ziel- und Inhaltskonzeption des Biologieunterrichts zuTage fördern. Diese Anmerkung soll darauf aufmerksam machen, daß nicht nurempirisch ( experimentell ) orientierte Untersuchungen zu den Voraussetzungenund Bedingungen der Unterrichtsgestaltung gefördert werden sollten, sondernauch hermeneutisch bestimmte Forschungen für eine zukunftsorientierten Ziel-und Inhaltskonzeption unumgänglich sind. Gegenwärtig wird diese Verantwortungder Fachdidaktik nicht hinreichend wahrgenommen.
4.5.Anmerkungen zur Organisation und Gestaltung des Unterrichts
Eswurde schon betont, daß Bildung für nachhaltige Entwicklung eine Aufgabe füralle Unterrichtsfächer ist. In dem Zusammenhang spielen in der Diskussion fachübergreifender Unterricht und interdisziplinäre Betrachtungen einewesentliche Rolle. Dies ist prinzipiell auch notwendig, wenn bedacht wird, daßfachübergreifende Zielsetzungen, fachübergreifendes Arbeiten logisch fachlicheKompentenz voraussetzen, wie interdisziplinäre Betrachtungen nur sinnvoll sind,wenn disziplinäre Kompetenz gegeben ist. Diesem Zusammenhang auch imHinblick auf Bildung für eine nachhaltige Entwicklung gerecht zu werden, istnach allen Erfahrungen am besten über den gefächertenUnterricht möglich. Ich halte deshalb Aufgaben der hier diskutierten Artals Argument für die Zusammenlegung der naturwissenschaftlichen Fächerschlicht weg für falsch. Allerdings ist es notwendig in jedem einzelnen Fachdie grundlegenden Kompetenzen für interdisziplinäre, fachübergreifendeBetrachtungen gezielt auszubilden ( zu fördern ).Dies kann im „ normalen „Unterricht wie auch im Rahmenanderer Formen wie z. B. von Projekten erfolgen. Letztere dürfen nur nicht als„ ersatzlose „ Bedingung dafür angesehen werden, die Fähigkeit zuvernetztem Denken zu erreichen.
5.Abspann
Ein„ Zukunftsfähiges Deutschland „ / 26 / zu sichern, kann zwar nicht alleinüber Bildung erreicht werden, ist aber ohne grundlegende Veränderungen in denZielen und Inhalten sowie in der Organisation der Bildung nicht denkbar / vergl.u. a. 27, 28 ). Wenn man die Ergebnisse der TIMS-Studie ernst nimmt und dieHerausforderungen akzeptiert, die eine Bildung für nachhaltige Entwicklungeinschließt, dann ist eine umfassende Bildungsreform unumgänglich. Wenn einesolche Reform dann auch die förderalistische Zersplitterung der Ziel- undInhaltskonzeptionen überwindet, wäre das für die Zukunft unseres Landes eingroßer Gewinn.
Literatur
/1 / Agenda 21.Konferenz derVereinten Nationen für Umwelt und Entwicklung im Juni
1992 in Rio de Janeiro. Dokumente
Herausgeber: Bundesministerium fürUmwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit, Bonn
/2 / Pews-Hocke, Ch.; Zabel E.( Hrsg. ): Biologie 9. Sachsen. Gymnasium.
Berlin:paetec Gesellschaft für Bildung und Technik mbH, Schulbuchverlag, 1996.
/3 / Weizsäcker von ,E. U. :Umwelterziehung war erst der Anfang. Die Umweltkrise
verlangt uns mehr ab.
In: Modelle zur Umwelterziehung in derBundesrepublik Deutschland. Band 6 ,S. 314.
Herausgeber: Deutsche Gesellschaft fürUmwelterziehung e. V. ; IPN Kiel, 1995.
/4 / Al Gore :Wege zumGleichgewicht. Ein Marshallplan für die Erde.
Frankfurt am Main: S. Fischer VerlagGmbH, 1992.
/5 / Wollert, H. ;Berg, Ch.:Vom Aussterben bedrohte Pflanzenarten in Mecklenburg-
Vorpommern- Empfehlungen zum Erhaltund zur Pflege ihrer Lebensräume.
In: Naturschutzarbeit inMecklenburg-Vorpommern; 40. Jahrg. 1997, H. 1, S. 26/27.
/6 / Wilson, E. : Der Wert derVielfalt. Die Bedrohung des Artenreichtums und das
Überleben des Menschen.
München, Zürich: Piper GmbH &Co. KG, 1995
/7 / UNO. Neue Projektionenzur Weltbevölkerung.
Internet 1998: http://www.demographie.de/newsletter/allgemein/unoprojektion98.htm
/8 / Bund-Länder-Kommission:Bildung für nachhaltige Entwicklung.Orientierungsrahmen.
Bonn: BLK, Heft 69, 1998.
/9 / Mayer, J. : NachhaltigeEntwicklung- ein Leitbild zur Neuorientierung der Umwelt-
erziehung.
In:DGU- Nachrichten, 1995, H. 12; S.31-43.
/10 / Fachtagung der DGU zum Thema „Nachhaltige Entwicklung – neuePerspektiven für
die Umwelterziehung ? „ vom 25. Bis26.10.1996 in Schwerin.
/11./ Tagung zum Thema „ Europäische Umwelterziehungspolitik und ihreImplikationen für
eine nachhaltige Entwicklung „ vom8. Bis 10. 6.1998 in Benedikbeuern. Siehe DGU-
Nachrichten, 1998, H. 18.
/12 / Zabel, E.: Zum Wert und zu Besonderheiten der Freilandarbeit imBiologieunterricht.
In: Zabel, E.: Beiträge zurFachdidaktik Biologie aus drei Jahrzehnten.
Güstrow, Eigenverlag,1998.
/13 / TIMSS- Mathematisch-naturwissenschaftlicher Unterricht im internationalenVergleich.
Berlin: Maax-Planck-Institut fürBildungsforschung; IPN Kiel ,1997.
/.14/ Bildungsprogramm für nachhaltige Entwicklung in der BundesrepublikDeutschland.
Herausgegebenvon der ANU, der DGU und der GbU 1998.
/15 / Umweltbildung und –erziehung aus der Sicht einer nachhaltigen,umweltgerechten
Entwicklung.- Richtlinie für dieallgemeinbildenden Schulen in Mecklenburg-Vorpommern.
Erarbeitet von der Arbeitsgruppe „Umweltbildung und –erziehung“ unter Leitung
Von Dr. D. Aldefeld ;1998, unveröffentlicht.
/16 / Zabel, E. :Untersuchungen über die Bedeutung der Sippenkenntnisse und über
Prinzipien ihrer Auswahl für denUnterricht.
In: Biologie in der Schule,14.Jahrg.,1965, H.11. S. 498 bis 504.
In: Zabel, E. : Beiträge zurFachdidaktik Biologie aus drei Jahrzehnten.
Güstrow: Eigenverlag, 1998.
/17 / Zabel, E. : Sippen- (Formen-)kenntnisse –ein aktuelles Problembiologischer
Unterweisungen.
In:Biologie in der Schule; 42.Jahrg., 1993, H. 6, S.204 bis210.
/18 / Mayer, J.: Formenvielfalt im Biologieunterricht.
Kiel:IPN, 1992.
/19 / Kinzelbach, R.: Biodiversität. Etikettenschwindel, Mode oder neuerForschungs-
ansatz?
In:Biologen heute, Nr.440, 1998, H.6; S.1ff.
/20 / Pews-Hocke, Ch. ;Zabel, E. ( Hersg. ) : Biologie 8,Sachsen, Gymnasium.
Berlin:paetec Gesellschaft für Bildung und Technik, Schulbuchverlag, 1999, S. 9.
/21 / Zabel, E. : Gewässer als Ökosystem.
In: Empfehlungen zurUnterrichtsgestaltug, Ökologie II, 1992, S 4 bis 40.
Berlin: paetec Gesellschaft fürBildung und Technik mbH, 1992.
/22 / Pews-Hocke, Ch.. ; Zabel, E. ( Hersg. ) : Biologie 5/6, Thüringen.
Berlin:paetec Gesellschaft für Bildung und Technik mbH, Schulbuchverl., 1999, S. 66.
/23 / Autorenkollektiv: Schüler bestimmen Pflanzen.
Berlin: Paetec Gesellschaft fürBildung und Technik mbH, 1994.
/24/ Kummer, G.; Neubauer, M.; Püschel,U.; Zabel, E. : Pflanzen der Heimat. Ein
Bestimmungsbuch. 3. Auflage.
Berlin: Volk und Wissen Verlag GmbH,1998.
/25 /.Zabel, E. ;Kattmann U. (Hrsg.): Lebewesen in Haus und Garten. EinArbeitsheft....
Autoren Zabel, E. und Ziebell, E.
Stuttgart: Metzler SchulbuchverlagGmbH, 1992.
/26 / Bund/Misereor (Hrsg.) : Zukunftsfähiges Deutschland. Ein Beitrag zu einerglobal
nachhaltige Entwicklung.Studie desWuppertaler Instituts für Klima-Umwelt-Energie GmbH.
Basel,Bosten,Berlin : BirkenhäuserVerlag, 1996.
/27 / Entrich, H. : Biologie in der Bildungsdiskussion...
Alsbach/Bergstraße :Leuchtturm-Verlag, 1994.
/28 / Horn, F. :Biologische Bildung in der Schule – Gedanken zu ihrem Wert undzu Anfor-
derungen aus der Sicht der Schlüsselproblemeunserer Zeit.
In : Biologie in der Schule, 46.Jahrg. 1997, Heft 5.